Weinbau in Georgien: Orange ist die Farbe der Freude
Für uns ist dieser schlichte georgische Landwein eine interessante Erfahrung, doch unsere einheimische Begleiterin ist von unserer spontanen Verkostung gar nicht angetan. Dariko Gogol unterstützt als Weinfachfrau die Qualitätsbestrebungen der georgischen Weinwirtschaft, die mit etwa 300000 Euro jährlich auch von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Tiflis gefördert werden. Mit dem Geld ist unter anderem ein modernes Weinlabor gebaut worden, das helfen soll, europäische Standards in der georgischen Weinproduktion einzuführen und so den Export zu erleichtern. Für sentimentale Weinfolklore fehlt Dariko Gogol deshalb der Sinn: „Süß mit viel Alkohol – genau das Image, unter dem der georgische Wein leidet. Solche Weine haben wir jahrzehntelang in die Sowjetrepubliken exportiert, weil die Russen sie so wollten und weil es wenig Mühe macht, dieses zuckrige Zeug herzustellen. Aber das hat nichts mit typisch georgischem Qualitätswein zu tun.“
Doch was genau ist ein herkunftstypischer georgischer Wein, wie ihn auch Nugzar Ksovreli fordert? „Ein zusätzlicher Cabernet aus Georgien ergibt für den Weltmarkt keinen Sinn“, meint der in Deutschland und Österreich ausgebildete Kellermeister und Chef der Corporation Kindzmarauli, einer der größten Kellereien des Landes: „Wir können auf lange Sicht nur mit Wein aus autochthonen Sorten bestehen, deren besonderer Charakter klar verständlich ist.“ In Deutschland sind Georgiens Weine bestenfalls etwas für Experten. Wer einen Wein aus den nachgewiesenen 525 einheimischen Rebsorten des Landes kaufen will, hat es schwer. Bekanntester Importeur ist der Russe Alexej Schreiner mit seinem Weinhaus Grusignac in Berlin, doch er führt nur ein sehr begrenztes Sortiment georgischer Weine, die sich überwiegend an international gängigen Geschmackserwartungen orientieren. So ist unter den innovationshungrigen Weinfreunden Westeuropas paradoxerweise mehr über die Vergangenheit des Weinbaus in Georgien bekannt als über seine Gegenwart. Auch die uralte georgische Tradition, Wein in riesigen Tonkrügen herzustellen, wurde nicht durch aktuelle Weine des Landes zum Thema, sondern durch den Hype um sogenannte Orange-Weine aus Italien, Slowenien, Österreich und seit kurzem auch aus Deutschland. Exzentriker wie der friaulische Winzer Josko Gravner entdeckten für sich die alte georgische Methode neu, bei der die gesamte Maische mit Schalen und Stielen ohne Zusatz von Reinzuchthefen zur Gärung gebracht wird, was Weißweinen oft eine ungewöhnliche orange bis hellrote Farbe verleiht. In Georgien selbst war der Ausbau in Tonkrügen seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im kommerziellen Anbau verpönt und ins Private verdrängt. Bis zum Ende der UdSSR versorgten auf Masse ausgelegte Weinfabriken aus riesigen Stahltanks die Sowjetrepubliken, überwiegend mit süßem Rotwein, an dem in Europa kaum noch Interesse besteht.